Wir haben die Fachtagung “Niedersachsen – Eine BITV-freie Zone” in Hannover besucht und bringen eine umfangreiche Reportage mit Interviews. Dazu erklären wir, was Barrierefreieheit und auch Usability ist. Wer Webseiten erstellt, sollte unbedingt reinhören.

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Reportage von der Fachtagung „Niedersachsen – eine BITV-freie Zone“

Was können wir als Webentwickler dafür tun, dass Menschen einen leichteren Einstieg in unsere Webseiten erhalten? Um diese Frage beantworten zu können, lohnt es sich, mit dem Thema der Barrierefreiheit für Sehbehinderte zu befassen. Sie gehören zu den Menschen, die bei schlecht strukturierten und geschriebenen Webseiten die größten Probleme haben. Haben wir hingegen hier eine gute Basis geschaffen, gilt das zugleich in Teilen für alle anderen Benutzergruppen.
Das von der Bundesregierung geförderte Projekt „Barrierefrei Informieren und Kommunizieren“, kurz BIK, kommt zu folgenden Schlüssen:

Nur ein Bruchteil von Internetangeboten ist für alle Nutzer zugänglich. Laut Studien sind nur 3,9 Prozent der deutschen Webseiten zu den W3C-Standards konform. Die Nichteinhaltung der Standards bedeuet schlecht strukturierte Seiten. Heisst zum Beispiel, dass die Bedienung mit mobilen Endgeräten, wie PDAs und Handys erschwert wird.

Um deutlich zu machen, warum Barrierefreiheit nicht nur Randgruppen etwas angeht, folgende Aussagen: Alleine in Deutschland gibt es 6,7 Millionen anerkannte Schwerbehinderte Menschen. Davon sind vor allen Dingen sehbehinderte und hörgeschädigte Menschen am stärksten von Barrieren im Internet betroffen. Auch die Genration 50 Plus werden als Internetnutzer immer interessanter. Auch sie haben mit schlecht strukturierten Webseiten große Probleme. Und schließlich profitieren auch Menschen einer anderen Muttersprache davon, wenn Webseiten übersichtlich und verständlich gestaltet sind. Fazit: Insgesamt können 57 % der Computernutzer von einer barrierefreien Gestaltung von Webseiten profitieren. Das ist eine Zahl, über die sich nachzudenken lohnt.

Diese Aussagen des BIK wurden auf der Fachtagung „Niedersachsen – eine BITV-freie-Zone“ vom 3. Juli in Hannover diskutiert.
Die Tagung war eine gemeinsame Veranstaltung des Behindertenbeauftragten des Landes Niedersachsen Karl Finke und des Projektes BIK. Mit dabei: Unter anderem der Hamburger BIK-Koordinator Karsten Warnke.
Die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung, kurz BITV, schreibt Bundesbehörden den Einsatz von barrierefreien Webseiten vor. Niedersachsen ist eines der wenigen Länder, die eine solche Verordnung auf Länderebene nicht umgesetzt hat.
Die Tagung wirbt natürlich für die Umsetzung, doch in erster Linie geht es uns hier um die Anwender und ihre Erfahrungen mit schlecht zugänglichen Webseiten.
Ich habe Karsten Warnke gefragt, wie er als sehbehinerter Webseiten nutzt.
(Interview)

Das hört sich für mich erst einmal sehr kompliziert an, wie Karl Finke Webseiten „liest“, denn er muss sie ja hören. Von der Tagung habe ich deshalb ein Hörbeispiel mitgebracht. Der Screenreader liest uns die Startseite vom BIK vor. Und da hören wir jetzt mal rein.
(Audio-Mitschnitt eines Screenreaders)

Ich hatte große Probleme, diesem Text zu folgen. Sich auf vorgelesenes in dieser Qualität zu konzentrieren, fordert mir sehr viel ab. Und das war ein Positivbeispiel einer barrierearmen Webseite. Ich möchte mir gar nicht vorstellen müssen, wie sich schlecht strukturierte Webseiten anhören.

Mit Karl Finke habe ich dann weiter darüber gesprochen, welchen Entwicklungsbedarf er eigentlich sieht, und vor allen Dingen bei wem.
(Interview)

Unter den Vortragenden war auch die Fachfrau Ulrike Peter vom Institut für Informationsmanagement Bremen, kurz ifib. Sie ist der Meinung, dass die Umstellung von Webseiten auf Barrierefreiheit nicht zwingend auf großen Widerstand treffen muss.
(Interview)

Die Feuerwehrunfallkasse Niedersachsen stellte auch ihre barrierearme Webseite vor. Freiwillig setzte sie die BITV um. Die Umstellung auf die Barrierefreiheit dauerte ein halbes Jahr.

Es liegt an uns Webentwicklern, dafür zu sorgen, dass möglichst jeder leichten Zugang zu unseren Informationen im Internet hat. Wichtig ist aber der Kontakt zu den Betroffenen. So lange wir uns an die Webstandards halten und barrierefreie Webseiten schreiben, können alle davon profitieren. Die Veranstaltung hat mir wieder einmal gezeigt, wie wichtig die Thematik ist.

Usability – Ein Überblick

Lassen Sie Ihre Besucher nicht unnötig nachdenken heißt es im Buch “Don’t make me think” von Steve Krug, das mittlerweile zu einem der Standardwerke im Bereich Website-Usability geworden ist. Und damit fasst es die Kernaussage der Usability hervorragend zusammen: Erleichtern Sie Ihren Besuchern also die Arbeit auf Ihrer Webseite.

Doch was ist Usability?

Usability bedeutet Benutzerfreundlichkeit bzw. Gebrauchstauglichkeit und bezeichnet die Eignung einer Webseite oder Anwendung in Bezug auf seine Verwendung. Und benutzerfreundliche Webangebote zu entwickeln gehört zu den wichtigsten und leider auch am häufigsten vernachlässigten Aufgaben eines Webentwicklers.

Wieso ist Usability wichtig?

Die Website Usability Knowhow gibt darauf folgende Antwort:

Aus der Sicht des Benutzers ist Usability deshalb so wichtig, weil der Benutzer seine Aufgabe entweder richtig und vollständig mit dem System erledigen kann oder nicht. Er kann den Arbeitsprozess entweder gerne vollziehen oder frustriert sein, weil es nicht funktioniert. Aus Entwicklersicht ist Usability deshalb so wichtig weil es den Erfolg oder Misserfolg eines Systems bestimmt. Fehlende Benutzerfreundlichkeit kostet Zeit und Aufwand und bestimmt über den Erfolg eines Systems. Gibt man den Benutzern die Wahl, würden sie immer dazu tendieren ein benutzerfreundliches System zu kaufen.

Wie setze ich das um?

Besucher einer Website besuchen diese Website mit bestimmten Zielen, z.B. um etwas zu kaufen oder Informationen zu finden. Und das wollen sie sofort. Daher ist es wichtig, bei der Erstellung einer Website, einfache Forderungen zu beachten, die es dem Nutzer einfacher machen, sein Ziel zu erreichen:

  1. Vermeide Hindernisse.
  2. Vermeide unnötige Wartezeiten.
  3. Vermeide Einarbeitung.

In unzähligen Büchern, Artikeln und Präsentation wird auf das Thema eingegangen, wir haben euch die aus unserer Sicht besten herausgesucht. Die Links findet ihr in der Mitschrift zu diesem Beitrag.

Empfehlungen zur Lektüre:

Mikroformate

Bei Mikroformaten handelt es sich um ein Set an einfachen und offenen Standards zur semantischen Auszeichnung von Daten auf Basis weit verbreiteter existierender Formate. Ziel von Microformats ist es, existierenden und zukünftigen Microcontent (z.B. einen Blog-Eintrag) so zu erweitern, dass er nicht nur in erster Linie für Menschen lesbar ist, sondern in zweiter Linie auch für Maschinen interpretierbar wird. Microformats gehen nach der Trennung von Inhalt und Form durch XHTML und CSS einen Schritt weiter und berreichern bestehendes XHTML um Auszeichnungsstandards, die es ermöglichen, auf einfache und unkomplizierte Art und Weise, die enthaltenden Informationen so auzuzeichnen, dass sie eine Semantik aufweisen, die auch Maschinen interpretieren können.

Durch die Nutzung von Mikroformaten wird der Inhalt, den wir produzieren, wertvoller, da er wiederverwertbar ist. Er kann, einmal erzeugt, extrahiert und in andere Anwendungen intergriert werden, um ein strukturierteres Bloggen und eine strukturiertere Mikrocontent-Veröffentlichung zu erhalten.

Nützliche Informationen zu Mikroformaten erhaltet ihr bspw. im deutschprachigen Wiki zu Mikroformaten, auf der offiziellen Microformats-Website oder bei Eric Eggert:

Nützliche Quellen

Heute wollen wir euch zwei sehr nützliche Quellen für die Webentwicklung näher bringen:

  • Kostenlose Vorlagen für Webseiten erhaltet ihr auf Open Source Web Design (www.oswd.org). Die meisten der angebotenen Templates basieren auf XHTML und CSS und werden unter unterschiedlichen Lizensen zur kostenlosen Nutzung angeboten.
  • Zehn Webentwickler-Sammlungen zu JavaScript, Ajax, PHP, CSS und Farbenlehre werden von Cameron Olthuis in seinem Beitrag “Top 10 Web Developer Libraries” genannt.

Die Musik

Zum entspannten Ausklang spielen wir in der Technikwürze Amy MacClain mit „My Little Habit UtahGirl“.

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Dieser Beitrag wurde am Montag, 10. Juli 2006 um 00:25 Uhr in der Kategorie Podcast veröffentlicht.
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Kommentare

  • Dörte
    am 11. Juli 2006, 08:08 Uhr

    Schöner Podcast. Er erinnert mich wieder daran, wie wichtig es ist, in den ganzen Diskussionen um Barrierefreiheit auch mal einen Blick auf die Praxis zu werfen: mal sehen, wie Blinde mit dem Computer arbeiten, mal hören, wie ein Screenreader Internetseiten vorliest. Das kann man z.B. auf einer DVD, die es beim Bundesministerium f. Gesundheit schon seit längerem kostenlos gibt:
    http://www.bmg.bund.de/cln_040/SharedDocs/Publikationen/Videos/d-002-10243
    Wenn man die Public Relations für die Gesundheitsministerin abzieht, ist diese DVD ganz informativ. Blinde, Sehbehinderte und motorisch behinderte Menschen erläutern ihre Hilfmittel für das Internet und man bekommt einen kleinen Einblick in ihre Internet-Welt.

  • Nadja
    am 11. Juli 2006, 09:55 Uhr

    Danke für den Link, Dörte. Allerdings muss ich sagen, dass ich die DVD nach dem Ablegen im Warenkorb über das Menü nicht innerhalb der Seite gefunden habe. Da sollte man noch einiges seitens des BMG ändern ;-).

  • macx
    am 16. Juli 2006, 11:59 Uhr

    Wenn ihr ein Mikrofon abgeschlossen habt am Computer, könnt ihr eure Audiokommentare hinterlassen. Viel Spaß´!

  • Doodee
    am 2. Februar 2008, 21:54 Uhr

    Thanks for sharing

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