Projekte und Kundenkommunikation
Sascha Postner und Daniel Jagszent haben eine Umfrage bei den Webkrauts durchgeführt und viele Antworten erhalten. Die beiden wollten wissen, was die typischen Probleme und Beispiele bei den Projekten sind und wo es dort hakt. Ein spannender Beitrag, bei dem auch ihr gefragt seid.
Projektfahrplan für erstklassige Websites
(Sascha Postner) Im heutigen “Book Review” möchte ich Euch das Buch „Projektfahrplan für erstklassige Websites“ von Shirley Kaiser vorstellen. Erschienen ist das amerikanische Orginal im australischen Sitepoint-Verlag, vielen sicher bekannt durch die exzellente Webseite sitepoint.com. Die von mir gelesene deutsche Version hat der dpunkt-Verlag publiziert und ist für 36 Eur (37,10 Eur für unsere Hörer aus Österreich) im Handel erhältlich.
Das Buch ist nicht in erster Linie ein „Webdesign“-Werk, sondern sieht sich selbst als Leitfaden für Webentwicklung. Zielgruppen sind neben Webdesignerns und -entwicklern vor allem auch Projektleiter und Auftraggeber. Das ist etwas was mir besonders am Herzen liegt und auch der Grund warum ich auf das Buch aufmerksam geworden bin.
Es gibt meiner Meinung viel zu wenig gute Ressourcen für interessierte Entscheider, die helfen ein Website-Projekt erfolgreich abzuwickeln. Ich stehe selbst immer wieder vor der Aufgabe in einer kurzen Präsentation zu erläutern was es mit Usability auf sich hat.
Und es gibt viele Kunden, die sich gerne informieren würden, aber einfach nicht die Zeit haben sich intensiv auf eine Aufgabe vorzubereiten. Letztlich wird dann oft erst ein Experte hinzugezogen wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die Agentur einen über den Tisch gezogen hat und einen totalen Mist verzapft hat.
Hier kann dieses Buch vielleicht einen wertvollen Beitrag leisten. Es geht auf viele wichtige Dinge ein, die bei der Entwicklung einer Website bedacht und berücksichtigt werden müssen.
Es geht los mit einigen Grundlegenden Fragen. Im Verlaufe des Buches werden dann aber, in meines Erachtens nicht immer ganz nachzuvollziehender Reihenfolge, auch die Relevanz von Farben, Benutzerfreundlichkeit, Webstandards, Inhaltsverwaltung, SEO und vieles mehr vorgestellt.
Ich muss sagen, dass wirklich fast alles enthalten ist, was einem als Projektmanager oder Verantworlichen im Laufe der Entwicklung auf dem Schreibtisch landet.
Dabei sind meine beiden größten Argumente für das Buch auch gleichzeitig die Schwachpunkte.
So sind alle Kapitel als Checklisten geschrieben und haben neben einer kurzen Einleitung und Zusammenfassung keinen wirklichen Fließtext. Das erhöht die Nachschlagsfunktion und die Informationsmöglichkeit zu einzelnen Punkten sehr, muss man doch nur immer ein zwei Absätze lesen um sich zu einem Punkt zu informieren.
Andererseits ist das Buch sehr schwer am Stück zu lesen. Man fühlt sich ständig im Lesefluss unterbrochen und die Verknüpfung einzelner Bulletpoints ist nicht immer gut gelungen.
Gleiche Zweischneidigkeit zeigt sich wenn es um den Umfang geht. Das Softcover versucht immerhin auf 320 Seiten einen umfassenden „Projektfahrplan“ für Webentwicklung zu geben. Da ist es klar, dass nicht jedes Thema in seiner vollen Ausführlichkeit behandelt werden kann.
Problem ist, dass dabei schnell etwas herauskommen kann, was für den Auftraggeber zu unverständlich ist, weil es technisches Wissen als gegeben voraussetzt, und für den Webdesigner zu oberflächlich, weil es eigentlich „banales“ sehr explizit erklärt.
Einerseits könnte glaube ich niemand ohne Vorerfahrung auf Basis des Kapitels über Redaktionssysteme ein CMS auswählen, andererseits sind die Hinweise zu CSS (dessen Bedeutung nicht sonderlich erläutert wird) zu dünn um hier wirkliche Erkenntnisse als Entwickler heraus zu ziehen (vorausgesetzt man hat schon mal „etwas“ mit CSS gearbeitet).
Viele Hinweise und Empfehlungen werden einfach nicht weiter erklärt und stehen als Dogmen im Raum, die man als Leser einfach hinnehmen muss. Zwar habe ich keine wirklichen Fehler gefunden und würde problemlos fast alle Empfehlungen unterschreiben, aber etwas unwohl ist mir dabei dennoch. Das kann aber auch an meiner Mentalität liegen.
Ganz hervorragend finde ich hingegen die zusätzlichen Ressourcen die angeboten werden. Neben der Webseite zum Buch finden sich zu vielen Themen Fussnoten mit Verweisen auf anderer Bücher und Onlinequellen. Das hat mir z.B. für die Farbwahl, Design und Zugänglichkeit einige neue Lesezeichen beschert, die mir bei der täglichen Arbeit helfen.
Auch das Kapitel über das Testen der eigenen Projekte sollte noch besondere Erwähnung finden. Hier gibt die Autorin einige sehr hilfreiche Tipps, die die meisten Webentwickler, und da darf ich mich mit etwas Scham durchaus einreihen, durchaus beachten sollten. Wir machen glaube ich alle viel zu wenig Zugänglichkeits- und Usabilitytests.
Ich würde sagen, bei „Projektfahrplan für erstklassige Websites“ handelt es sich um ein praxisnahes Nachschlagewerk, dass dem Praktiker im Laufe der Entwicklung sehr gut in Erinnerung rufen kann, was er in einzelnen Phasen der Webentwicklung nicht aus den Augen verlieren sollte. Erwartet nur kein Buch, dass man vor dem Kaminfeuer auf dem Sofa lesen kann (wie z.B. Don’t make me think).
Ein wirklicher Fahrplan ist das Buch für mich nicht, weil es teilweise temporale Abfolgen suggeriert, die zu mindest in meinem Arbeitsablauf so nicht vorkommen. Zum hin und her springen im Inhalt bietet es sich aber dank seiner Checklisten Schreibweise sehr gut an.
Ebenfalls gut geeignet ist es für den bereits leicht vorgebildeten Auftraggeber und/oder Kunden, der sich auf den neuesten Stand schieben und sein Projekt gut begleiten will. So hat man die wichtigsten Themen zur Hand und kann seiner Agentur, oder auch seiner Inhouse Abteilung, die richtigen Fragen stellen und auch mal fundierte Kritik anbringen. Es bietet zwar nicht den Baukasten um eine gute Ausschreibung zu formulieren (wer schreibt eigentlich mal dafür ein Buch?), aber auch dazu kann man die ein oder anderen Stichworte herausziehen.
Trotz der vielleicht etwas negativ klingenden Zusammenfassung, halte ich das Buch für eine Kaufempfehlung.
Ihr habt einen Fachidioten als Kollegen, der nur Programmieren oder Designen kann, von den Bedürfnissen das Endanwenders aber keine Idee hat?
Ihr habt einen Kunden, der zwar selber mal mit Frontpage eine Vereinswebseite gemacht hat, dem aber nicht klar zu machen ist, warum ihr Zugänglichkeitstest machen wollt, es gut ist schlanken, validen HTML-Code zu verwenden und das Design vom Inhalt in CSS-Dateien auszulagern?
Ihr habt einen Bekannten, der jammert, weil er sich keine Berater leisten kann und den Eindruck hat, dass er das Webprojekt für seine Firma nicht managen kann, weil die Agenturen keinen Plan zu haben scheinen und er nicht die richtigen Fragen stellen kann?
Schenkt Ihnen dieses Buch! 🙂